Die fünf typischen Spannungsfelder der Schulkommunikation werden sowohl hier bei der Beurteilung der Ist-Situation als auch bei der Entwicklung der Strategie (Kap. 4) betrachtet und beurteilt. Auch wenn die folgenden Ausführungen zu den Spannungsfeldern bereits strategische Argumente z.B. zu den Vor- und Nachteilen von interpersoneller und digitaler Kommunikation liefern, ist es wichtig, dass im Analyse-Teil der Fokus tatsächlich auf die Darstellung des Ist-Zustands und nicht auf das gewünschte Bild gelegt wird.
Information vs. Kommunikation
Im Spannungsfeld Information versus Kommunikation geht es um die Ausrichtung der zentralen Interaktionsprozesse der Schule mit den verschiedenen Stakeholdern. Welchen Stellenwert hat die unidirektionale Information, welchen der wechselseitige Austausch in der internen Kommunikation in Ihrer Schule? In der Kommunikation der gesamten Schule mit den Eltern? In der Kommunikation der Lehrpersonen mit den Eltern? In der Klassenkommunikation?
Eine Ausrichtung auf Information bedeutet, dass Informationen einseitig vom Sender (z.B. der Schulleitung) zum Empfänger (z.B. Eltern) fliessen. Dies ist immer dann der Fall, wenn das jeweilige Kommunikationsmittel nicht darauf angelegt ist, Fragen, Feedback oder inhaltliche Beiträge der Adressaten aufzunehmen (z.B. ein Quartalsbrief). Kommunikation auf der anderen Seite ermöglicht einen zweiseitigen Interaktionsprozess. Es wird bewusst Raum für gegenseitigen Austausch gegeben (z.B. ein Elternabend mit Austauschmöglichkeiten).
Nicht immer liegt die Ausrichtung mit dem gewählten Kommunikationsmittel per se fest, vielmehr geht es häufig um die Ausgestaltung. So kann ein Elternabend sehr kommunikativ ausgerichtet sein (Information und bewusst gestalteter Austausch zwischen Eltern und Lehrperson(en)) oder nahezu ausschliesslich informativ (Fokus auf Information, wenig bis gar kein Raum für Austausch).
In Anlehnung an die PR-Modelle von Grunig/Hunt (1984) können 4 Interaktionsmodi für die Schulkommunikation differenziert werden, die von der reinen Informationstätigkeit bis hin zum echten Dialog reichen. Die folgende Grafik erklärt die wichtigsten Parameter und nennt Beispiele aus dem Schulalltag.
Abbildung 9: 4 Interaktionsmodi Schulkommunikation in Anlehnung an Grunig/Hunt 1984 (Quelle: ZHAW/OKM)
Interpersonelle vs. digitale Kommunikation
Im Spannungsfeld interpersonelle versus digitale Kommunikation geht es darum, welchen Stellenwert die interpersonelle Face-to-Face-Kommunikation und welchen die digital unterstützte Kommunikation in der Schule haben. In der Kommunikation der gesamten Schule mit den Eltern? In der Kommunikation der Lehrpersonen mit den Eltern? In der Klassenkommunikation?
Face-to-Face-Kommunikation als Kommunikation, bei der die Kommunikationspartner:innen physisch anwesend sind, bietet gute Voraussetzungen für einen echten Dialog. Auf Unsicherheiten und Ängste des Gegenübers kann unmittelbar reagiert, Feedback kann direkt einbezogen werden (z.B. im Elterngespräch). Stakeholder verbinden Face-to-Face-Kommunikation mit Wertschätzung, Ehrlichkeit, Interesse für ihre Anliegen, Offenheit, Nähe und Transparenz.
Digitale Kommunikation hat demgegenüber andere wesentliche Vorteile: Sie ist schnell, kurzfristig anpassbar, multimedial nutzbar. Allerdings ist Feedback nur zeitversetzt möglich. Ein Kommunikationsmix ohne digitale Kommunikationsmittel ist allerdings spätestens seit der Corona-Pandemie kaum mehr denkbar. Durch den ausgelösten Digitalisierungsschub haben auch Eltern und Mitarbeitende veränderte Erwartungen an eine zeitgemässe Schulkommunikation.
Als Entscheidungshilfe für einen sinnvollen Mix aus interpersonellen und digitalen Kommunikationsmitteln Ihrer Schule kann ein Blick auf die Fälle dienen, in denen sich insbesondere persönliche Kommunikation eignet (vgl. Mast 2020: 168):
- Bei Themen, die für die Schulentwicklung relevant sind
- Bei kritischen Themen, die polarisieren und bei denen mit Gegenwind gerechnet werden muss
- Themen, die erklärungsbedürftig sind, bei denen es also Einordnung, Kontextinformationen und Erläuterungen wichtig sind
- Themen, bei denen die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht und die Sachverhalte komplex sind
- Bei Veränderungsthemen
- Bei Themen, die grosse Auswirkungen auf viele Beteiligte haben
Einheitlichkeit vs. Freiheit
Im Spannungsfeld Einheitlichkeit versus Freiheit geht es um die Frage, wie gross der individuelle Gestaltungsraum in der Kommunikation der Schule sein soll. Wie einheitlich in Bezug auf den Kommunikationskanal, die Frequenz und die Inhalte kommunizieren die Lehrpersonen Ihrer Schule mit den Eltern und mit ihrer Klasse? Wie hoch ist die Freiheit der Lehrpersonen gewichtet, den Kanal, die Frequenz und die Inhalte ihrer Kommunikation mit den Eltern und ihrer Klasse zu bestimmen? Welchen Stellenwert hat die Einheitlichkeit der internen Kommunikation von Schulleitenden in Ihrer Schule, wenn sie von mehreren Schulleitenden geführt wird? Welchen Stellenwert hat die unterschiedliche Gestaltung der internen Kommunikation? Wie einheitlich respektive wie unterschiedlich ist die Kommunikation der verschiedenen Schulleitenden mit den Eltern?
Einheitlichkeit zielt darauf ab, dass Stakeholder die Kommunikation der Schule als konsistent wahrnehmen. Sie steigert die wahrgenommene Verlässlichkeit und Gleichbehandlung. So nehmen Eltern mit mehreren Kindern sofort wahr, wenn es zu starke Unterschiede in der Information und Kommunikation einzelner Lehrpersonen gibt. Nach Bruhn 2019 ist Einheitlichkeit dabei in drei Ausprägungen möglich: Formale Einheitlichkeit (gleiche Kanäle, gleiche Gestaltungskriterien), inhaltliche Einheitlichkeit (ähnliche Themen, keine Widersprüche), zeitliche Einheitlichkeit (vergleichbare Häufigkeit, zeitlich abgestimmt, zeitnah).
Freiheit führt hingegen dazu, dass die Akteure der Schule selbstbestimmt und dementsprechend authentisch kommunizieren können. Die folgende Abbildung führt die Vor- und Nachteile von Einheitlichkeit und Freiheit auf:
Innenperspektive vs. Benutzerperspektive
Im Spannungsfeld Innenperspektive versus Benutzerperspektive geht es um zwei Grundverständnisse, für wen die Kommunikation möglichst effizient und effektiv sein sollte: für die kommunizierende Schulleitung und Lehrpersonen oder für die Adressat:innen der Schulkommunikation. Wie stark sind schulinterne Prozesse, Strukturen und Ressourcen ausschlaggebend für Kanalwahl, Zeitpunkt, Frequenz und Inhalte der Kommunikation Ihrer Schule mit Eltern und mit Schülerinnen und Schülern? Wie stark wird in der Kanalwahl, dem Zeitpunkt, der Frequenz und den Inhalten der Kommunikation auf Bedürfnisse und Lebensrealitäten von Eltern und Schülerinnen und Schülern eingegangen?
Aus der Innenperspektive werden die Kommunikationsmittel so ausgewählt und eingesetzt, dass es für die Schule möglichst einfach und ressourcenschonend ist. Auch die Auswahl und Strukturierung der Themen findet primär aus Organisationssicht statt.
Im Hinblick auf die Benutzerperspektive werden Kommunikationsmittel demgegenüber so ausgewählt und gestaltet, dass sie für den Alltag der Adressat:innen gebrauchstauglich sind (Usability). Die Auswahl und Gewichtung von Themen erfolgt im Hinblick auf die Bedürfnisse von bspw. Eltern. Unterschiedliche Bedürfnisse können durch eine Mischung von Push- und Pull-Kommunikation berücksichtigt werden. Im Rahmen der Kommunikation mit den Eltern braucht es dementsprechend Überlegungen dazu, welche Informationen an alle Eltern direkt vermittelt werden müssen (Push) und, welche Informationen nicht obligatorisch und nur für Teilgruppen relevant sind. Diese können dann z.B. auf einer Schul- oder Klassen-Homepage so abgelegt werden, dass sie bei Bedarf abgerufen werden können. Vor- und Nachteile der beiden Perspektiven zeigt die folgende Abbildung auf:
Ergebniskommunikation vs. Prozesskommunikation
Im Spannungsfeld Ergebnis- versus Prozesskommunikation geht es um zwei Grundverständnisse, wie mit der Kommunikation von Themen und Entscheidungen seitens der Schule umgegangen werden kann. Während Schulleitungen dazu tendieren, erst dann zu kommunizieren, wenn Entscheidungen gefällt, Ereignisse eingetroffen oder Ergebnisse vorliegen, interessieren sich Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler sowie Erziehungsberechtigte auch für Informationen und Hintergründe zu anstehenden oder laufenden Entwicklungen. Welchen Stellenwert hat die Ergebniskommunikation, welchen die Prozesskommunikation in Ihrer Schule?
Ergebniskommunikation bedeutet, dass erst dann kommuniziert wird, wenn Entscheide getroffen sind und Ergebnisse bereits vorliegen. Vorbereitende Tätigkeiten oder einzelne Entwicklungsschritte werden nicht kommuniziert.
Demgegenüber steht die Prozesskommunikation als kontinuierliche Begleitkommunikation, die schon vor der Auswahl einer Handlungsalternative startet. Meilensteine werden aufgezeigt und allenfalls werden Stakeholder sogar aktiv in Wissensgenerierung und den Entscheidungsprozess einbezogen.
Vor- und Nachteile der beiden Grundverständnisse zeigt die folgende Abbildung auf:
Für eine gelingende Schulkommunikation kann weder eine völlige Ausrichtung auf Ergebniskommunikation noch auf Prozesskommunikation sinnvoll sein. Permanente Prozesskommunikation zu allen Themen der Schule wäre ressourcentechnisch wohl kaum umzusetzen. Dementsprechend ist ein situativer, themenbasierter und zielgruppengerechter Einsatz von Ergebnis- und Prozesskommunikation wichtig. Hierzu sind drei Schritte wichtig:
1) Themendefinition (aus Organisation/Umwelt)
Um welches Thema/Ereignis geht es? Kommt der Impuls aus der Schul-Umwelt (z.B. von Eltern, der allgemeinen Öffentlichkeit)? Oder aus der Schule selbst (z.B. Erarbeitung neues Kommunikationskonzept)?
2) Gewichtung der Themen
- Wie relevant ist das Thema für den Schulbetrieb und für die Umsetzung des Schulprogramms?
- Wie wichtig ist das Thema für die Stakeholder?
- Wie hoch ist das vermeintliche Polarisierungspotential?
- Wie wichtig ist das Thema für die Beziehungspflege?
3) Entscheid kommunikative Bearbeitung
Je relevanter für die Schule und die Stakeholder und je höher das Polarisierungspotential eines Themas, umso eher sollte eine kontinuierliche und transparente Prozesskommunikation angestrebt werden.